Auf dem Weg zum klimaneutralen Krankenhaus

Kranken­haus­bau für Mensch und Klima

Das deutsche Gesund­­heits­­wesen ist laut dem Deutschen Krankenhausinstitut (DKI) für 5,2% der nationalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Krankenhäuser sind dabei besonders im Fokus, da sie 24 Stunden und 7 Tage die Woche im Betrieb sind und dabei einen großen Energiebedarf aufweisen. Im internationalen Durchschnitt sind etwa 30% der Emissionen im Gesund­­heits­­wesen auf Krankenhäuser zurückzuführen, was deren Bedeutung und Potenzial für Klimaschutzmaßnahmen unterstreicht. Hierbei entscheiden die richtigen Maßnahmen bei der Gebäudehülle, der Konstruktion und dem Energiekonzept des Gebäudes, ob ein nachhaltiger Betrieb möglich ist.

Krankenhäuser tragen Verantwortung

Mit dem im Jahr 2019 verabschiedeten Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) hat sich die Bundesregierung zu einem ehrgeizigen Ziel verpflichtet: der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045. Eine Verpflichtung, die nicht nur ambitioniert, sondern auch zukunftsweisend ist, angesichts der drängenden Heraus­forderungen des Klimawandels. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg ist die Sicherstellung einer nachhaltigen und energieeffizienten Gebäudeinfrastruktur. Über die gesetzlich vorgeschriebenen Anforderungen des Gebäude-Energie-Gesetzes (GEG) hinaus ist es nun notwendig, für jedes Gebäude, sowohl Neubau als auch Bestandsgebäude, ein maßgeschneidertes Konzept zu entwickeln, um bis spätestens 2045 klimaneutral zu sein. Die Betrachtung des energetischen Gesamtkonzeptes von Klinikgebäuden als Zusammenspiel von spezifischer Nutzung, Gebäudehülle und Gebäudetechnik stehen hierbei besonders im Fokus – sowohl für Neubauvorhaben, als auch für Umbaumaßnahmen.

„Bereits im Entwurf berücksichtigen wir Nachhaltigkeit, indem wir energieintensive und nicht nachhaltige Materialien weitgehend vermeiden.“

Jens Rieksmeier, Bauphysiker und Energie-Experte bei a|sh

Im Gespräch mit Jens Rieksmeier, Bauphysiker und Energieexperte bei sander.hofrichter architekten, werden einige zentrale Fragen zum aktuellen Stand der Klimaneutralität von Kranken­häusern in Deutschland erörtert. Jens Rieksmeier berät seit mehr als elf Jahren unsere Architekt:innen und Fachplanenden zum Thema Nachhaltigkeit und klimaneutrales Bauen.

Was bedeutet Klimaneutralität im Kontext des Kranken­haus­baus?

Jens Rieksmeier: "Unter Klimaneutralität verstehen wir als Architekturbüro nicht zwangsläufig einen CO2-neutralen Gebäudebetrieb, da auch nach einer vollständigen Umstellung von fossilen auf regenerative Energieträger CO2-Emissionen durch die Herstellung und teilweise den Betrieb der regenerativen Energieanlagen entstehen. Ein CO2-neutraler Gebäudebetrieb könnte nur durch weitere Kompensationsmaßnahmen (Aufforstung, CO2-Speicherung etc.) erreicht werden.

Klimaneutralität ist somit als Gleichgewicht zwischen der Emission von klimaschädlichen Treibhausgasen und der Bindung von CO2 durch natürliche CO2-Senken, insbesondere durch die Ökosysteme Wald, Meer und Boden, zu interpretieren. Um dieses Gleichgewicht zu erreichen, müssen die CO2-Emissionen in Deutschland durchschnittlich um 90 - 95% reduziert werden.

In einer Studie für das Klinikum München Bogenhausen haben wir die Möglichkeiten eines klimaneutralen Konzeptes für ein bestehendes Klinikgebäude untersucht. Dort wurde eine Reduktion der CO2-Emissionen aus dem Gebäudebetrieb um ca. 95% als Ziel definiert."

Wo steht Deutschland im Bereich baulich-nachhaltiger Krankenhäuser? Gibt es schon klimaneutrale Krankenhäuser?

Jens Rieksmeier: "Der Begriff der Nachhaltigkeit im Bauwesen kann sehr weit gefasst werden. Betrachtet man die Anzahl der DGNB zertifizierten Gebäude, so gibt es derzeit acht zertifizierte Krankenhausneubauten in Deutschland, im Bereich Sanierung oder Bauen im Bestand ist kein zertifiziertes Gebäude aufgeführt - insgesamt eine verschwindend geringe Anzahl, wenn man bedenkt, dass es in Deutschland über 1.800 Krankenhäuser gibt. In Frankfurt-Höchst wurde im vergangenen Jahr das weltweit erste Passivhaus-Krankenhaus eröffnet - die mediale Aufmerksamkeit zeigt, wie groß der Bedarf einerseits und wie gering die Zahl vergleichbarer Projektbeispiele andererseits ist. Vereinzelt gibt es Krankenhäuser, die sich bereits dem Ziel der Klimaneutralität verschrieben haben und mit verschiedenen Maßnahmen Treibhausgaseinsparungen erzielen - wir stellen fest, dass sich vieles im Aufbau befindet und der Beratungsbedarf sehr groß ist. Ein gemeinsames Ziel für den Gesundheitssektor gibt es hingegen nicht. Die Vorgaben der EU zur Nachhaltigkeitsberichterstattung werden vermutlich dazu führen, dass hier mehr passiert und die Maßnahmen auch transparent dargestellt werden."

Wie geht man vor, wenn man als Betreiber das eigene Krankenhaus klimaneutral umbauen möchte?

Jens Rieksmeier: "Aus wirtschaftlicher Perspektive wird dringend empfohlen, die von uns entwickelte Optimierungsstrategie in vier klar definierten Phasen zu verfolgen. Diese Vorgehensweise ist entscheidend, um später umfangreiche Maßnahmen zum Erreichen der Klimaneutralität zu vermeiden."

 

Was macht a|sh als Architekturbüro besonders mit Blick auf Engagement für Klimaneutralität und Nachhaltigkeit?

Jens Rieksmeier: "a|sh hat bereits vor über 20 Jahren Schulen in Holzbauweise errichtet - in Ramstein und Schloss Hansenberg - und vor über 10 Jahren die ersten beiden DGNB Gold zertifizierten Krankenhäuser in Meisenheim und Speyer gebaut. Wir sind uns bewusst, dass wir als Baufachleute mit unseren Ent­schei­dung­en in Entwurf, Planung und Ausführung einen wesentlichen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten können und müssen.

Um das Thema im Büro zu stärken, entstand aus einer lang­jährigen Arbeitsgruppe das Projektteam „Nachhaltigkeit“. Unter der Leitung von Susanne Waitz und mir sorgt das Team, bestehend aus Martina Riel, Daniel Dorner, Susanne Dirion, Philipp Crolly, Sonja Jöhl und Stefan Peters, dafür, dass nachhaltiges Bauen bei all unseren Projekten von Anfang an mitgedacht wird. Nachhaltiges Bauen ist komplex, deshalb werden wir in der Arbeitsgruppe viele Informationen sammeln und auf ihre Praxistauglichkeit prüfen. Die Erfahrungen werden wir dann mit allen Kolleg:innen teilen. Das ist eine wichtige Aufgabe des Nachhaltigkeitsteams."

„Innovation erfordert Mut: Nachhaltigkeit ist uns wichtig, daher realisieren wir die Psychiatrie in Wunstorf und den HealthCube für Wilo nahezu vollständig in Holzbauweise – ein Novum im Gesundheitsbau.“

Prof. Linus Hofrichter, Geschäftsführer bei a|sh

Frühzeitige Planung, enge Zusammenarbeit

Die Umsetzung dieses strategischen Ansatzes erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Gebäudeeigentümern, Behörden, Planer:innen, Ingenieur:innen und anderen relevanten Akteur:innen. Nur durch gemeinsame Anstrengungen und innovative Lösungsansätze können wir sicherstellen, dass unsere Gebäude nicht nur energieeffizient, sondern auch klimaneutral werden - ein entscheidender Schritt auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft.

Nachhaltigkeit im Gespräch

Auf verschiedenen Veranstaltungen referierten und diskutierten wir über nachhaltige Krankenhausgebäude. Prof. Linus Hofrichter, Geschäftsführer von a|sh, hat auf dem Symposium „Klimaschutz im Krankenhaus“ der Deutschen Krankenhaus Gesellschaft (DKG) einen Impulsvortrag gehalten, der auf der DKG-Website einsehbar ist.

Jens Rieksmeier teilte sein Wissen am 12.10.24 auf der Veranstaltung „Das Spital der Zukunft“ in Bern, sowie am 25.10.24 auf der „Hospital Concepts“ in Berlin – beides waren willkommene Gelegenheiten, mit ihm und uns ins Gespräch zu kommen.

Nachhaltigkeit in unseren Projekten

Aktuelle Projekte zeigen, wie erfolgreich ressourcenorientiertes Planen und Bauen im Gesund­­heits­­wesen sein kann. So gelingt es, den CO2-Ausstoß von Gebäuden deutlich zu reduzieren und gleichzeitig hohen ästhetischen Ansprüchen gerecht zu werden. Die Umsetzung klimaneutraler Bau­projekte führt auch zu einer veränderten Formensprache, wie z.B. dem verstärkten Einsatz von Holz als Baustoff für Tragwerke und Fassaden.